ggmüller: teksten

zurückvorwärts

AHA, Spaziergang im Garten von Künstler und Muse

Auszug

Von Leo Phillipé

...

Mein kleiner Weg entlang dieser Pflanzenmauer endet bei einer Zierpflaume. Merkwürdig, Balsac hat seine Gärten immer mit einer richtigen Mauer umgeben. So, als wollte er Innen und Außen strikt trennen. Hier in diesem ist immer Offenheit, sogar an den Grenzen.

Ich bin wieder an jenem Holzpfad angekommen, den ich schon zum Auftakt meines Weges auf der Gegenseite des Hauses betreten hatte. Hier endet er nun in einer weiteren kleinen Terrasse direkt vor der Werkstatt. Nein, das stimmt nicht, er hat noch eine kurze Verlängerung hin bis zur "Gartengalerie", dem Hort für alle jenen Arbeiten, die weder in die Werkstatt passen, noch in Haus oder Garten ihren Ort gefunden haben. Sie kuschelt sich in die Ecke und öffnet sich sowohl mit den Fenstern als durch ihre abgerundete Form zum Garten.

Aber bevor ich dahin komme, werfe ich noch einen Blick zurück entlang dem Pfad, entlang der ewig langen Blumenreihe, entlang dem Haus. Die letzten Fachungen bestehen wieder aus Klinker und sind somit tragfähig: Zwei Objekte hängen hier, zwei unterschiedliche Themen: Öffentlicher Brief ist der typisch weiße Malgrund mit rauer Oberfläche, eingefasst von zwei breiten Flacheisen. Auf dem Weiß ausgerollt ein Bleiband fast über die komplette Breite. Darauf wiederum zwei übereinander angebrachte rechteckige Marmorplatten, in deren Zentrum je eine breite verwitterte Rostspur. Von allen Linien und Flächen bleibt letztlich nur diese Spur übrig, zieht den Blick auf sich, auch wenn diese Reste nur noch rudimentär vorhanden sind. Der Brief muß vor ewig langer Zeit verfasst worden sein.


Daneben, Nestbild 5, Teil einer Serie. Ein Rechteck, wieder der weiße, geformte Malgrund, wieder in dessen Zentrum - die Rechteckform verkleinert aufnehmend - ein weiteres Objekt, diesmal eine altehrwürdige Ofenklappe, schließbar. Eingerahmt-geschützt durch einen kräftigen Merbeau-Rahmen. In einem Eckchen der Klappe hingeduckt ein leichtes luftiges Nest. Hingehaucht. Hier, an dieser Stelle, ist es nicht einmal gesagt, dass dieses Nest artificiell ist. An sehr vielen Stellen um dieses Haus und rundherum habe ich Nester entdeckt. Nur die Ziffer im Titel des Bildes läßt vermuten, dass es gesetzt ist. Und wie die torsohafte Schriftspur des Öffentlichen Briefes ist auch hier eine Spur gesichert. Oder, wie das ein Rezensent schrieb: Seine Bilder geben subtiles Zeugnis von Leben und Tod, von einem Zyklus, der sich ständig wiederholt. Das Thema setzt sich fort.


Gleich um die Hausecke hängt Nestbild 6 und wieder ist das titelgebende Element verschwindend unscheinbar in einem sehr robusten Zusammenhang: Der nun schon bekannte weiße Grund ist diesmal von einem mehrteiligen, schrundigen, unebenen, ungehobelten und zudem ungeschlossenen Rahmen umgeben. Den Eindruck des ungehobelten setzt das fort, was darauf platziert ist: Teile eines Gitters, das man aus Tierställen kennt. So dünn und vermutlich nicht nur von der Zeit angenagt die Stäbe sind, muß dieses Gitter von einigem Alter sein. Auffallend die Rauheit des gesamten Objektes. Fast meint man noch den Geruch von Stall aufzunehmen. Und in all der Rohheit wieder ein fein ziseliertes Nest. Hier ist es eindeutig gesetzt, denn welcher Vogel unterzöge sich der Mühe, den Nachwuchs zwischen zwei sehr eng aufeinanderliegenden Balken aufzuziehen? Andererseits: wer weiß?

...